Aufgewachsen in Great Barr kam für ihn der naheliegende Vorort-Verein niemals in Frage. Von Geburt an war und ist er eine Blaunase. Russell lebt seit dem Jahr 2004 in Deutschland und arbeitet als Konzertgitarrist und Gitarrenlehrer.
Wann und warum bist Du nach Deutschland gekommen?
RP: Im Jahr 2002 habe ich am International Guitar Festival in Koblenz teilgenommen und mich auf Anhieb in diese wunderbare Stadt verliebt. Ich habe dann später an der Koblenz International Guitar Academy unter Professor Hubert Käppel studiert. Seit 2004 lebe ich nun schon in Koblenz. Ich bin damals ein großes Risiko eingegangen, als ich Birmingham verlassen hatte. Aber es hat sich gelohnt. Ich hatte eigentlich gar nicht geplant, in Deutschland zu bleiben. Aber Koblenz ist eine tolle Stadt und die Lebensqualität an Rhein und Mosel ist sehr hoch. Ich lebe sehr gerne in Deutschland.
Wo bist Du aufgewachsen?
RP: Ich bin ein waschechter Brummie, denn ich bin in Great Barr im Norden Birminghams aufgewachsen, also eher in einer Villa-Gegend.
Und dennoch wurdest Du ein Blauer?
RP: Ja. Und das, obwohl einige meiner Onkels, Tanten und Cousinen Villa-Fans sind und mein Opa in Aston geboren wurde und ebenfalls Villa-Fan war. Aber zum Glück ist mein Papa George Blues-Fan, Obwohl er eigentlich aus Durham stammt, also ein Geordie ist.
Seit wann bist Du Blues-Fan?
RP: Seit meiner Geburt. Dank Papa (lacht…). Gewachsen ist das dann während der Schulzeit.
Warum bist Du Blues-Fan?
RP: Blues-Fan zu sein, hat etwas Ehrliches. Die Fans von Birmingham City haben etwas Besonderes in sich. Herzblut bis zum bitteren Ende!
Und daran hat auch Dein Umzug nach Deutschland nichts geändert?
RP: Du kannst den Jungen aus Birmingham nehmen, aber Birmingham nicht aus dem Jungen…
Erinnerst Du Dich an Deine ersten Blues-Matches?
RP: Mein erstes Spiel muss so 1982 oder 1983 gewesen sein. Heimspiel gegen Liverpool. Danach war ich mit meinem Vater und meinem jüngeren Bruder Nick oft im Railway End. Als die Gewalt in den englischen Fußballstadien und speziell in Birmingham zunahm, sind wir eine ganze Weile nicht mehr ins St. Andrew’s gegangen. Das war meinem Dad zu gefährlich.
Anfang der 90er Jahre, als ich als Jugendlicher eine Katholische Schule in Wednesbury besuchte, bin ich ab und an mit zwei Freunden zu den „Baggies“ nach West Bromwich gegangen. Als ich größer war ging ich endlich wieder ins St. Andrew’s.
Mein erstes Spiel war ein 1:0-Heimsieg über Oxford in der Saison 1992/93 in Division One. Gerade hatten sich die Kumar-Brüder verabschiedet. Und es begann die Zeit von David Sullivan, Karren Brady und Barry Fry. Von der Saison 1995/96 an bis zu meinem Wegzug nach Deutschland im Jahr 2004 hatte ich eine Dauerkarte im St. Andrew’s. Tilton Road, Block 10. Ich bin auch in der zweiten Liga viel auswärts gefahren. Bury, Crewe, Huddersfield, das volle Programm (lacht…).
Deine besten Blues-Matches?
RP: Da gibt es einige. Unvergessen bleiben natürlich die Siege gegen Villa in der Saison 2002/2003. Diese Siege haben wir noch lange auf den Straßen gefeiert. Toll war natürlich auch das Finale im Auto Windscreen Shield im April 1995. Wenn ich an den Moment zurückdenke, als ich die U-Bahn-Station in Wembley verließ und die blau-weiße Menschenmasse um mich herum sah, dann bekomme ich noch heute Gänsehaut. Oder die Play-off.Spiele 2002. Zunächst die Semifinals gegen Millwall, dann dieses dramatische Finale gegen Norwich, welches wir im Elfmeterschießen gewinnen konnten und endlich nach dreimaligem Scheitern zuvor aufgestiegen sind.
Stoke auswärts im Januar 1998 fällt mir auch noch ein. 7:0-Sieg mit einem Hattrick von Paul Furlong. Oder das Halbfinale im Ligapokal 2001, als wir die 0:1-Hinspielniederlage in Ipswich im Rückspiel mit 4:1 ausbügeln konnten. Geoff Horsfield traf zweimal, daran kann ich mich gut erinnern, denn an diesem Tag hatte ich ein Gitarren-Vorspiel, so dass ich etwas verspätet und ungewöhnlich vornehm gekleidet zum Spiel kam (lacht…).
Ein richtiges Erlebnis war dann auch noch das Europapokal-Spiel 2011 in Brügge. Und natürlich „The Great Escape“ im Mai 2014. Während dieses Spiels musste ich ein Konzert in einer Kirche in Koblenz spielen. Danach war nur noch Feiern im Irish Pub angesagt.
Deine schlimmsten Erlebnisse mit den Blues?
RP: Alles andere (lacht…). Vor allem die 1:3-Niederlage bei Villa im April 2006 oder die 0:4-Niederlage zu Hause gegen Barnsley in den Play-offs 2000 taten echt weh. Und in der Saison 2001/2002 wollte ich eigentlich meine Dauerkarte zurückgeben, so schlecht haben die Blues unter Steve Bruce gespielt. Zwar sind wir am Ende der Saison über die Play-offs aufgestiegen, aber schön war das nicht anzuschauen. Und es gab immer mal wieder schlechte Auswärtstouren. Ich erinnere mich an einen bitteren Tag in Preston. Die Pubs waren scheiße, die Polizei war scheiße. Es hat nur geregnet. Und wir verloren das Spiel im Deepdale durch ein Eigentor von Darren Purse mit 0:1.
Wer ist Dein Lieblingsspieler?
RP: Christophe Dugarry. Einfach nur ein genialer Fußballer.
Und Deine Lieblingsmanager?
RP: Barry Fry. Mit ihm kam Aufbruchsstimmung nach Birmingham und wir alle hatten eine Menge Spaß mit ihm. Trevor Francis. Der war zwar nicht unbedingt ein guter Trainer, hat aber seriös gearbeitet. Und Steve Bruce, weil er Dugarry und einige andere gute Jungs zu Birmingham City geholt hat.
Was hältst Du von Gary Rowett?
RP: Bis jetzt macht er einen guten Job. Er scheint ein positiver denkender Mensch zu sein.
An welche Spieler erinnerst Du Dich gerne zurück?
RP: Im Tor Ian Bennett, Maik Taylor, Joe Hart und Ben Foster. In der Abwehr Martin Grainger, Michale „Magic“ Johnsen, Liam Daish, Steve Bruce, Gary Ablett, Alberto Tarantini, Darren Purse, Matthew Upson, Stephen Carr, Scott Dann, Roger Johnson. Im Mittelfeld Bryan Hughes, Stan Lazaridis, Louie Donowa, Jose Dominguez, Paul Tait, Robby Savage, Peter Ndlovu, Damien Johnson, Paul Devlin, Martyn O’Connor, Aliou Cisse, Olivier Tebily, David Dunn. Im Sturm Trevor Francis, Christophe Dugarry, Mikael Forssell, Kevin Francis, Ricky Otto, Steve Claridge, Geoff Horsfield, Frank Worthington, Kenny Burns, Bobby Latchford, Dele Adebola, Andrew „A.J.“ Johnson, Mark Burchill, Mario Zarate.
Dein schönstes Stadion außerhalb des St. Andrew’s?
RP: Das alte Highbury von Arsenal. Dort habe ich am 18. August 2002 mein erstes Premier League-Spiel gesehen. Leider haben wir 0:2 verloren.
Wie verfolgst Du die Blues im deutschen „Exil“?
RP: Über Internet ist das ja heute alles kein Problem mehr. Außerdem telefoniere ich nach jedem Spiel mit meinem Vater.
Was hältst Du von der Idee, einen deutschen Supporters Club der Blues zu gründen?
RP: Ist doch toll, eine ganz wunderbare Idee. Dazu noch von einem „Crazy German“ gemacht und nicht von einem der vielen Engländer, die in Deutschland leben.
Wie werden die Blues in dieser Saison abschließen?
RP: Wir Fans dürfen nicht realitätsfremd sein und den Aufstieg fordern. Ich hoffe, dass wir wieder im Mittelfeld landen können. Vielleicht reicht es ja sogar für die Play-offs.
Wie siehst Du die Blues generell aufgestellt?
RP: Mit den dramatischen Umständen, die von Hongkong ausgehen, haben wir natürlich große Probleme. Ich habe keine Ahnung, wie es dort weitergeht. Ich wünsche mir jedenfalls, dass Birmingham City ein gesunder Verein wird.
Wenn Du einen Spieler der Blues von früher aufstellen könntest, wen würdest Du wählen?
RP: Trevor Francis, der muss es ja einfach sein!
Wenn Du mit anderen Menschen ausgehen würdest, um über Fußball zu plaudern, wer wären diese?
RP: Mein Bruder Nick, „Bird“, Steve Hawes, Louis Clark, Nick Davis, Matthew Gidley, Emma Baker geb. Hargreaves, Jim Smith und Mark Borger. Die ich alle hiermit herzlich grüße.
Welches ist Dein Lieblingsplatz in Birmingham?
RP: Ich mag den Stadtteil Digbeth, also das alte Birmingham mit seinen vielen Kneipen.
Wie lebt es sich als Engländer in Deutschland?
RP: Leider haben viele Engländer noch immer eine schlechte Meinung über die Deutschen. Dies hat bei vielen wohl noch immer etwas mit dem 2. Weltkrieg zu tun. Ich wiederhole mich sehr gerne: Ich fühle mich sehr wohl in Deutschland. Wenn ich etwas an den Deutschen kritisieren darf, dann ist das vielleicht deren fehlende Spontanität. Und an meinen englischen Humor müssen sich viele hier auch noch gewöhnen…
Russell Poyner studierte am Birmingham Conservatoire bei Simon Dinnigan und graduierte dort 2001 mit Auszeichnung. Er gewann den Birmingham Conservatoire Guitar Prize und wurde Zweiter der Konzertreihe BBC Radio 2 Young Musician of the Year.
Im Jahr 2002 gab er sein Londoner Debüt, gewann den 2. Preis beim Koblenz International Guitar Competition und erhielt ein Stipendium der Accademia Musicale Chigiana in Siena, wo er bei Maestro Oscar Ghiglia studierte.
2003 spielte Russell Poyner innerhalb eines von der Koblenz International Guitar Academy und der Universität Niteroi/Rio de Janeiro veranstalteten Festivals in mehreren Städten Brasiliens und trat dabei auch in der TV-Show „Bom Dia Brazil“ live vor einem Millionenpublikum auf.
Im Jahr 2007 schloss er seine Ausbildung bei Prof. Hubert Käppel mit dem Solistendiplom der Koblenz International Guitar Academy ab und konzertierte seitdem u.a. in der Queen Elizabeth Hall London, der California State University Los Angeles und dem Secs Centre Rio de Janeiro. Nicht zuletzt trat Russell Poyner als Solist mit dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie und dem BBC Concert Orchestra auf.
Seit dem ersten gemeinsamen Konzert im Jahre 2011 bezaubern die polnische Oboistin Monika Dawidek und der englische Gitarrist Russell Poyner das Publikum mit ihrem sensiblen Zusammenspiel und der faszinierenden Verschmelzung der Klangwelten von Oboe und Gitarre.
Das Repertoire des Duos ist weit gefächert und beinhaltet Musik der Renaissance, des Barock, der Romantik sowie spanische Musik. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Musik Lateinamerikas, die das Dawidek-Poyner Duo mit höchster Energie und Vitalität mitreißend interpretiert.
Das neue Album von dem Dawidek-Poyner Duo „Oblivion – Latin American Music for Oboe & Guitar“ wird am 13. Juli 2015 von der Plattenfirma First Hand Records veröffentlicht. Es enthält wunderschöne Musik von Astor Piazzolla, Heitor Villa-Lobos, Agustín Barrios Mangoré, Dilermando Reis, Celso Machado und Luiz Bonfá.